Dr. med. Volker Stolzenbach & Katrin Franke

Chronisches Beckenschmerzsyndrom – CBSS
Chronic Pelvic Pain Syndrome – CPPS

Das CPPS wird durch vier Faktoren definiert

Zeit

Die Beschwerden bestehen seit mindestens sechs Monaten fortlaufend oder in Intervallen.

Ort

Schmerzen in der Beckenregion irgendwo von vorne unterhalb des Bauchnabels bis hinten zum Steißbein und Kreuzbein.

Funktionsstörungen

Funktions­störungen der Organe im Becken (Blase, Enddarm, Geschlechts­organe) sind häufig – müssen aber nicht bei jedem Patienten bestehen. Bei einigen sind die Funktionsstörungen viel quälender als die manchmal eher geringen Schmerzen.

Scheinbar fehlende Ursache

Eine Erkrankung in der Region (Urologie, Gynäkologie, Proktologie, …), die die Beschwerden erklären könnte, wurde durch entsprechende Fachunter­suchungen ausgeschlossen. Die Beschwerden stehen nicht in Zusammen­hang mit der Periode oder einer Schwangerschaft.

Beschwerden des CPPS

Die Beschwerden beim CPPS können sich von Patient zu Patient sehr stark unterscheiden. Es ist das Chamäleon unter den Schmerzkrankheiten. Das macht es manchmal schwer, die richtige Diagnose zu stellen.

Führendes Symptom ist meistens der Schmerz. Häufig, aber nicht immer kommen Funktionsstörungen der Beckenorgane dazu. Bei einigen Patienten stehen diese ganz im Vordergrund der Beschwerden.

Der Schmerz kann andauernd mit gleicher Intensität, mit wechselnder Intensität, aber auch intervall­artig mit schmerzfreien Phasen bestehen. Die Schmerzen können vorwiegend in den äußeren Geschlechts­organen (Schamlippen, Klitoris, Hoden, Penis) sein. Sie können aber auch im Bereich der Blase, dem Damm, der Prostata, dem Steißbein empfunden werden oder auch in der ganzen Beckenregion.

Sie können ausstrahlen, z.B. in den Unterbauch, die Oberschenkel­innenseiten, die äußeren Geschlechts­organe, das Gesäß, den unteren Rücken. Die Stärke der Schmerzen kann variieren von leicht/unangenehm bis zu extrem stark/nicht aushaltbar.

Sie können scharf und stechend, aber auch dumpf und drückend oder auch brennend sein. Einige Patienten berichten vom Gefühl, einen Tennisball oder eine Faust im Enddarm oder hinter dem Damm zu haben.

Einige Patienten haben ein Harndranggefühl, das fast ständig vorhanden ist. Beim Urinieren kommt aber kaum etwas und es bleibt das Gefühl, dass die Blase nicht leer sei. Während­dessen und danach haben sie oft ein vermehrtes Brennen in der Harnröhre, auch wenn keine Bakterien im Urin gefunden werden.

Beim Stuhlgang wechseln sich bei einigen Patienten Durchfälle mit Verstopfung ab. Bei anderen besteht fast dauernd das Gefühl, entleeren zu müssen. Nach dem Stuhlgang bleibt oft das Gefühl der unvollständigen Entleerung.

Beim Geschlechts­verkehr sind verstärkte Schmerzen dabei und vor allem danach häufig. Erektions­störungen kommen ebenso vor wie eine Scheiden­enge bis dahin, dass selbst Tampons nicht eingeführt werden können.

CPPS Beschwerden

Häufig gestellte Fragen

Die Rolle des vegetativen (unbewussten) Nervensystems beim CPPS

Das vegetative (autonome oder unbewusste) Nervensystem regelt die Abläufe im Körper, die man nicht mit dem Willen steuern kann. Es ist ständig aktiv und reguliert die inneren Organe, z.B. Atmung, Herzschlag und Stoffwechsel.

Es gliedert sich in den Sympathikus, den Aktivitäts- oder Powernerv und den Para­sympathikus, den Erholungs- oder Regenerationsnerv. Im Idealfall wechseln sich Sympathikus und Para­sympathikus in ihrer Aktivität ab. Das vegetative Nervensystem befindet sich im Gleichgewicht. Stress und Angst (siehe: Welche Rolle spielt Stress beim CPPS? ) aktivieren den Sympathikus zur Daueranspannung. Der Parasympathikus wird dadurch praktisch abgeschaltet. Erholung und Regeneration finden nicht mehr ausreichend statt. Es kommt zu einem andauernden Ungleichgewicht des vegetativen Nervensystems.

Während wir unsere Bewegungs­muskeln an Armen, Beinen, Bauch und Rücken mit dem somatischen (willentlichen) Nervensystem bewusst steuern, werden die Muskeln des Becken­bodens teilweise vom vegetativen Nervensystem angesteuert.

Das erklärt die besonders starke Verspannung des Becken­bodens im Vergleich zu anderen Muskeln bei Aktivierung des Sympathikus. Es erklärt auch, dass es so schwer ist, aktiv, also mit dem willentlichen Nerven­system, die Muskeln des Becken­bodens zu entspannen.

Die vegetative Dysbalance ist bei den allermeisten CPPS-Patienten für das Aufrechterhalten der Verkrampfung des Becken­bodens ganz entscheidend und muss deshalb im Behandlungsplan unbedingt berücksichtigt werden.

Das CPPS – eine funktionelle Störung

Wir haben es beim CPPS nicht damit zu tun, dass Gewebe zerstört ist, sondern „nur“ mit Funktions­störungen. Wenn ein Gewebe oder Organ nicht funktioniert, kann dies genauso viel Probleme bereiten wie wenn es tatsächlich geschädigt ist. Der Vorteil ist, dass bei Behebung der Funktions­störung alles wieder in Ordnung kommen kann.

Es besteht eine hypertone Dysfunktion der Muskeln des Becken­bodens. Wenn diese Verkrampfung gelöst wird, verschwinden die Beschwerden. Es besteht eine Dysregulation des vegetativen Nervensystems mit Dauer­aktivierung des Sympathikus und Inaktivierung des Para­sympathikus. Dies unterhält die Verkrampfung des Becken­bodens. Wenn die Über­aktivität des Sympathikus beseitigt wird, kann der Becken­boden entspannen.

„Nach meiner Überzeugung liegen bei allen Patienten beide Störungen, die der Muskeln des Becken­bodens und die des vegetativen Nerven­systems vor – durchaus in unter­schiedlichen Anteilen. Die Behand­lung muss deshalb immer beide in Angriff nehmen.“
Dr. med. Volker Stolzenbach
Wie sieht die Behandlung aus?