Das CPPS ist eine chronische Schmerzkrankheit
Akute Schmerzen stehen in ihrer Art und Intensität in direktem Verhältnis zu ihrer Ursache.
Man verletzt sich mit dem Messer. Der Schmerz ist für kurze Zeit stark, lässt dann rasch nach und spätestens mit Heilung der Schnittwunde ist er wieder verschwunden. Für einen Beinbruch gilt das Gleiche. Der Schmerz ist anfangs sehr stark, nach Ruhigstellung oder Operation lässt er nach und verschwindet mit der Heilung des Knochens wieder vollständig. Das kann je nach Knochenbruch durchaus mehrere Monate dauern.
Wenn Schmerzen chronifizieren, lösen sich die empfundenen Schmerzen von ihrer ursprünglichen Ursache. Das betrifft die Intensität der Schmerzen, die oft stärker empfunden wird. Bei der Schmerzart kommt oft eine brennende (Nerven-)Schmerzkomponente hinzu. Die emotionale Bewertung verändert sich. Der Schmerz wird zunehmend als quälend, teuflisch oder vernichtend empfunden. Oft breitet sich der Schmerz weiter aus, wird ausstrahlend oder verändert immer wieder seine Lokalisation.
In der Summe nehmen chronifizierte Schmerzen in einer Art Eigendynamik immer weiter zu, auch wenn die auslösende Ursache gar nicht schlimmer geworden ist, oder sogar manchmal gar nicht mehr vorhanden ist. Das betrifft auch das unbewusste bzw. vegetative Nervensystem, das oft mit einer Daueraktivierung des Sympathikus reagiert. Aus verschiedenen Gründen neigen Schmerzen in der Beckenregion besonders stark zu einer Chronifizierung.
Behandlung chronischer Schmerzen allgemein
Im Gegensatz zum CPPS ist der chronische Rückenschmerz seit vielen Jahren Gegenstand von Forschung und Behandlung. Erkenntnisse aus der Behandlung des chronischen Rückenschmerzes lassen sich umsetzen auf die Behandlung des CPPS. Die folgenden Grundsätze sind inzwischen unter Schmerztherapeuten international wissenschaftlich anerkannt:
- Für chronische Schmerzen gilt das bio-psycho-soziale Schmerzmodell
- Chronische Schmerzen haben immer auch eine psychische Komponente
- Chronische Schmerzen kann man langfristig erfolgreich nur mit einer multimodalen Therapie behandeln
- Die Behandlung benötigt ein interdisziplinäres Team, z.B. Orthopäde, Schmerztherapeut, Physiotherapeut, Psychologe
- Die Behandlung muss alle am Schmerzerleben beteiligten Komponenten adressieren
- Die Behandlung chronischer Schmerzen ist zeitaufwändig und gleicht einem Marathon, nicht einem Sprint
- Es gilt, in der Behandlung auch immer wieder Rückschläge hinzunehmen
Das bio-psycho-soziale Schmerzmodell besagt, dass chronische Schmerzen neben dem körperlichen Befund (beim CPPS dem verkrampften Beckenboden) auch eine psychische Komponente wie Stress, Angst oder veränderte Schmerzverarbeitung haben. Dazu kommen Auswirkungen auf den sozialen Bereich, Beeinträchtigungen bei der sozialen Interaktion, bei der Arbeit und im Privatleben.
Die multimodulare Behandlung des CPPS
Auf der Basis der Erkenntnisse der erfolgreichen Behandlung chronischer Rückenbeschwerden haben wir ein Behandlungsprogramm für das CPPS entwickelt.
Es besteht aus einer Reihe von Behandlungsmodulen, die die einzelnen Komponenten des CPPS entsprechend dem bio-psycho-sozialen Schmerzmodell adressieren. Dabei hat sich herausgestellt, dass einige Standardmodule für fast alle Patienten geeignet oder notwendig sind, andere Module nur bei einigen Patienten zum Einsatz kommen, etwa weil die Standardmodule keine ausreichende Besserung bewirken oder weil eine besondere Situation vorliegt. Die Behandlung erfolgt immer im Team, wobei dies mindestens einen mit der Behandlung des CPPS erfahrenen Arzt und einen Physiotherapeuten mit speziellen Kenntnissen der Beckenregion umfasst.
Mit dem nachfolgenden Behandlungsprogramm gelingt es uns, bei den meisten CPPS-Patienten innerhalb weniger Wochen eine wesentliche Besserung der Beschwerden zu erreichen, Rückfälle seltener werden zu lassen und in vielen Fällen anhaltende Besserung zu erreichen. Manchmal gelingt es, auch nach Jahren mit starken CPPS-Beschwerden wieder Beschwerdefreiheit zu erzielen. Ein Teil der Behandlungen wirkt auf die mechanische Komponente, die verspannten und verkrampften Muskeln und die verklebten Faszien ein. Ein anderer Teil der Behandlungen dient der Korrektur der Dysregulation des vegetativen Nervensystems.
Behandlungsprogramm
Standardmodule für alle Patienten
Zusatzmodule für spezielle Situationen
Neben den Standardmodulen werden im Einzelfall auch andere Behandlungsformen (Zusatzmodule) eingesetzt, wenn sie aus besonderen Gründen erforderlich sind oder wenn mit den Standardmodulen keine ausreichenden Fortschritte erzielt werden.
Fazit
Die Behandlung des CPPS ist ähnlich komplex wie das Beschwerdebild des CPPS.
Es gibt viele Patienten, bei denen die Behandlung schnell, innerhalb weniger Wochen anspricht. Es gibt einige Patienten, bei denen die Behandlung sehr langwierig ist. Rückfälle sind eher die Regel als die Ausnahme, wobei sie mit der Zeit seltener und weniger intensiv werden. Es gibt Behandlungsmodule, die für alle Patienten richtig und wichtig sind. Dazu gehören Stressreduktion, Wahrnehmungs- und Entspannungsübungen für den Beckenboden, mehrfach tägliche Entspannungsatmung und möglichst tägliche Dehnübungen.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Behandlungsmodulen, die bei einigen Patienten sehr wirksam sind, bei anderen nur wenig. Das hängt sicher auch damit zusammen, ob bei den Patienten die muskuläre Verspannung des Beckenbodens ursächlich im Vordergrund steht oder die Dysregulation des vegetativen Nervensystems, die die Verspannung fortlaufend triggert. Mehr noch als bei vielen anderen Erkrankungen gilt für das CPPS, dass die Behandlung fortlaufend kritisch hinterfragt und angepasst werden muss. Bei mangelnder Besserung müssen Behandlungsmodule angepasst oder durch andere ersetzt werden. Es gibt nicht den einen Behandlungsweg, der allen CPPS-Patienten optimal hilft, aber es gibt für fast jeden einen Weg zur wesentlichen Linderung seiner Beschwerden.